LG Kempten: Kein Mietmangel aufgrund von Geräuschimmissionen von einer Baustelle

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1. Ein Mietmangel i.S.d. § 536 BGB kann im Hinblick auf die von den Beklagten beanstandeten erhöhten Geräuschimmissionen, die von den Bauarbeiten auf dem Nachbargrundstückausgehen, nicht aus einer Beschaffenheitsvereinbarung hergeleitet werden, da eine solche Beschaffenheitsvereinbarung zwischen den Parteien nicht vorliegt, weder ausdrücklich im Mietvertrag noch stillschweigend. Die von der Rechtsprechung des BGH (NJW 2015, 2177) formulierten Voraussetzungen für eine stillschweigende Beschaffenheitsvereinbarung liegen nicht vor, selbst wenn man zugunsten der Beklagten davon ausgehen würde, dass dem Kläger eine bestimmte Beschaffenheitsvorstellung („ruhige Lage im Mozartpark“) bekannt war. Erforderlich ist zudem, dass der Vermieter hierauf in irgendeiner Form zustimmend reagiert (vgl. BGH, a.a.O.).
2. Ein Mietmangel i.S.d. § 536 BGB kann auch nicht aus einer entsprechenden ergänzenden Auslegung des zwischen den Parteien bestehenden Mietvertrages hergeleitet werden. Zwar kommt nach der neuesten Rechtsprechung des BGH ( a.a.O.) eine ergänzende Vertragsauslegung in Betracht, wenn (wie hier) keine ausdrückliche oder stillschweigende Beschaffenheitsvereinbarung vorliegt. Eine solche Auslegung kann (und darf) aber nicht dazu führen, dass der Vermieter ohne Einschränkung für baustellenbedingte Geräuschimmissionen, die vom Nachbargrundstück herrühren, einstehen muss. Vielmehr hätten sich die Parteien darauf nach Treu und Glauben darauf verständigt, diese Geräuschimmissionen nur dann als Mangel der Mietsache anzusehen, wenn der Vermieter selbst diese Immissionen gemäß § 906 BGB nicht oder jedenfalls nicht entschädigungslos dulden müsste (BGH, a.a.O.). Die Darlegungs- und Beweislast für diese Voraussetzungen trägt nach allgemeinen Grundsätzen die Partei, welche eine ergänzende Vertragsauslegung zu ihren Gunsten anstrebt.
3. Unerheblich ist, dass der Vermieter selbst (bzw. ein Abkömmling des Vermieters) oder ein Dritter die belastenden (Geräusch-)Immissionen auf dem Nachbargrundstück verursacht. Denn auch ein Mieter kann trotz seines Vertragsverhältnisses zum Vermieter nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht verlangen, dass der Vermieter auf seinem Nachbargrundstück jegliche Bautätigkeit, die in irgendeiner Weise Geräuschimmissionen und sonstige Beeinträchtigungen (Schmutz etc.) verursachten könnte, unterlässt. Auch hier ist zu fragen, ob bzw. inwieweit der Vermieter als Eigentümer selbst die vom Nachbargrundstück herrührenden Immissionen hinnehmen müsste, wenn nicht er (oder eine Person aus seiner Sphäre) die Bauarbeiten durchführen würde, sondern ein unbeteiligter Dritter.
4. Ein Eigentümer in der Situation des Klägers, welcher die an die Beklagten vermietete Wohnung selbst bewohnen würde, hätte selbst bei wesentlichen Beeinträchtigungen während der Bauphase das Bauvorhaben auf dem Nachbargrundstück als solches gemäß § 906 II 1 BGB zu dulden. Denn die (Neu-)Bebauung eines Grundstücks (nach Abriss des Altbestandes), welches sich mitten in der Innenstadt befindet, ist ortsüblich i.S.d. § 906 II 1 BGB. Ein angemessener Ausgleich in Geld gemäß § 906 II 2 BGB scheidet in solchen Fällen regelmäßig aus, weil es sich nur um eine vorübergehende Maßnahme handelt. Insoweit scheidet damit auch eine ergänzende Vertragsauslegung zugunsten der Beklagten aus. Urteil v. 11.05.2016, Az. 52 S 2022/15

Author: RAe Kasburg und Klein

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